Schulterschmerzen sind vielen Sportlern bekannt, besonders nach intensivem Bankdrücken oder gezieltem Schultertraining. Oft beginnt damit eine lange Leidenszeit. Doch es gibt Hoffnung, denn in vielen Fällen sind nicht die Gelenke selbst, sondern die umgebenden Strukturen wie Muskeln und Bänder, insbesondere die Rotatorenmanschette, für Beschwerden verantwortlich.
Woraus besteht die Schulter?
Die Schulter, besser gesagt der Schultergürtel, ist das Bindeglied zwischen Arm und Rumpf in der oberen Extremität. Die Schulter besteht aus dem Oberarmkopf (Caput humeri) der gleichzeitig als Gelenkkopf herhalten muss, ein Teil des Schulterblatts (Scapula), der als Gelenkpfanne (Cavitas glenoidalis) seinen Dienst tut. Da die Pfanne deutlich kleiner ist, befindet sich eine Knorpellippe (Labrum glenoidale/Limbus) am Gelenkkopf und wirkt durch die Flächenvergrößerung stabilisierend. (Ich muss wahrscheinlich nicht weiter erwähnen, dass die Gelenkpfanne eines Kugelgelenks (wie Hüfte oder Schulter) anders aussieht als die Pfanne zur Aufnahme eines Scharniergelenk, Sattelgelenk, Drehgelenk, Eigelenk oder eines ebenen Gelenk).
Umgeben wird alles mit einer elastischen Gelenkkapsel, die in der Pfanne ihren Ursprung hat. Innerhalb der Kapsel befindet sich Syovialflüssigkeit und gemeinsam sorgen sie für die Beweglichkeit des Gelenks. (Oder eben für die Unbeweglichkeit. Dazu später mehr).
Oberhalb befindet sich der vorne der Rabenschnabelfortsatz (Processus coracoideus) und die Schulterhöhe – Acromion – genannt. Zwischen diesen beiden knöchernen Abschnitten setzen stabilisierende Bänder an und bilden mit dem Ligamentum coracohumerale das Schulterdach. Da dies noch nicht für eine Stabilisierung ausreicht, gibt es als Verstärkung auf der Vorderseite noch das Ligamenta glenohumeralia.
Das Schulter-/Kugelgelenk (Articulatio humeri) ist extrem beweglich. Um dies zu schützen und zu stabilisieren wird das Gelenk von Muskeln und Sehnen umgeben, die aus den unterschiedlichen Körperregionen kommend, diese Aufgabe übernehmen. Der Gelenkkopf soll in der Gelenkpfanne zentriert bleiben, das ist erstmal die Hauptaufgabe der umgebenden Muskulatur. Ebenso der Übertrag der Kräfte auf die beteiligten Knochen, der Gelenkfläche, dem Schulterblatt, der Pfannenlippe sowie dem Faserknorpel. Das ganze wird von einer relativ großzügigen Gelenkkapsel umschlossen. Die Stabilität des Schultergelenkes, welches ja wie bereits erwähnt, eines der beweglichsten Gelenke des Menschen ist, wird durch Bänder und Sehnen gewährleistet.
Der Vollständigkeit-halber hier die 3 Bänder:
Die wahre Stabilität in der Schulter wird jedoch von manschettenartigen Muskeln hergestellt. Der Rotatorenmanschette. Damit innerhalb der Schulter alles „glatt“ läuft, fehlt der Vollständigkeithalber noch die Bursa, den Schleimbeutel.
Die Mechanik der Schulter
Der Aufbau des Kugelgelenks erlaubt eine Bewegung in allen 3 Achsen. Allerdings – und nun kommen wir allmählich zu den Problemen, spielen alle 3 Gelenke (Cavitas glenoidalis, Articulatio acromioclavicularis, Articulatio sternoclavicularis) eine wichtige Rolle bei Verletzungen. Da der Alltagsathlet das Schultergelenk häufig nur in einem relativ geringen Bewegungsradius (Range of Motion – ROM) nutzt (und noch seltener mobilisiert), verlagert sich bei Schulterproblemen die Aufmerksamkeit vom isoliert betrachteten Schultergelenk auf den kompletten Schultergürtel. Denn um z.B. eine Über-Kopf-Bewegung durchzuführen, reicht es bei weitem nicht aus sich auf das eine Gelenk zu fokussieren.
Was sind die häufigsten Probleme?
Wird auf Dauer der Bewegungsradius der Schulter nicht vollständig genutzt, so schränkt sich dieser ein. Use it or loose it ist ist die logische Folge. Nicht genutzte Strukturen sorgen für eine Unterversorgung in den Gelenken und sorgen so auf lange Sicht für eine Einschränkung der Bewegung – in dem Fall der Schulter leidet darunter häufig die Rotatorenmanschette.
Beispiel:
Schauen wir nochmal auf das immobile, unbewegliche und vielleicht schmerzende Schultergelenk, dass versucht eine Über-Kopf-Bewegung durchzuführen: Egal wie mobil oder immobil deine Schulter ist, dein Körper steuert das nächste bewegliche Gelenk an, um deinen „Befehl“ auszuführen – ohne Rücksicht darauf, ob das eingeschränkte Gelenk mobilisiert werden müsste oder nicht. Der Körper führt die Bewegung so gut es geht aus, es zählt das Ziel: die Überkopfbewegung.
Problem: Ist das Schultergelenk immobil, wird die Bewegung durch ein physiologisch unkorrektes Bewegungsmuster kompensiert. Bei einer unbeweglichen Schulter, die nicht regelmäßig in ausreichendem Maße bewegt wird, nutzt der Körper z.b. die Überstreckung der BWS oder LWS um sich den fehlenden Bewegungsradius im Downstream der Gelenke zu „leihen“. Wenn wir diese Fehlhaltung „über Kopf“ nun auch noch mit Gewicht beladen würden, übertragt sich die Fehlbelastung auf die Wirbelsäule und führt langfristig sicher nicht zu einer Leistungssteigerung oder Schmerzfreiheit (Ironie aus).
Ist die Schulter immobil, so fällt es auch schwer sie in der richtigen Position für Über-Kopf-Bewegungen zu stabilisieren. Durch Hochziehen der Schulter bei sämtlichen Hebebewegungen oberhalb des Schultergelenks selbst, wird die Bizepssehne unterhalb des Schulterdachs durch Reibung gereizt. Hier entsteht ein Kreislauf, den leider viele Sportler kennen.
Das Impingementsyndrom.
Schmerzhaft beim Bankdrücken, bei breiten Liegestütz und eigentlich allen elevierten Bewegungen (oberhalb des Schultergelenks). Das ungünstige ist: Je stärker die Beizepssehne gereizt wird, desto dicker wird diese, desto leichter wird sie wiederum durch die Enge an dieser Stelle belastet. Schwer zu durchbrechen. Im allerschlimmsten Fall sind Entzündungen und noch schlimmer – Abrisse der Sehne – zu verzeichnen, wenn man über Jahre die Signale des Körpers ignoriert. Eine sehr schmerzhafte Erfahrung, wie jeder berichtet, dem das schon widerfahren ist. Übrigens: Der Arzt benötigt für die Anamnese lediglich 3-4 Griffe um das Problem zu lokalisieren.
Zugegeben dies ist nun nur ein winziges Beispiel dafür, wie sich eine immobile Schulter negativ auf den gesamten Körper auswirken kann. Mobilitätsübungen helfen in dem Fall auch nur, wenn keine knöcherne Verletzung oder Verletzungen in den umgebenen, weichen Strukturen der Grund für die Schmerzen sind.
ACHTUNG: Tritt ein stechender Schmerz beim Training auf, solltet ihr sofort das Training beenden. Wenn die Schulter nach dem Training oder in der Nacht schmerzt, ist das zwar auch nicht viel besser, aber gibt eher den Hinweis auf:
Überlastung
Reizung durch Fehlhaltung (Impingement).Geht unbedingt sofort zum Arzt und lasst diesen Fall abklären. Im allerbesten Fall konsultiert ihr vorher einen erfahrenen PT, Mobility Spezialist, modernen Physiotherapeut oder Osteopathen. Ich würde zum Start jede alternative Medizin vorziehen. Vorsicht ist geboten, wenn der Arzt in dem Fall als erstes reine Schmerztabletten verschreibt. Entzündungshemmer machen Sinn, aber reine Schmerzmittel beheben in dem Fall gar nicht
Und um die Arbeitsweise des Körpers zu verstehen, hilft es vielleicht folgendes zu verstehen: Die Beweglichkeit (oder Unbeweglichkeit) des Gelenks übertragt sich auf den Schultergürtel. Diese Tatsache alleine reicht um rückzuschliessen, dass ein eingeschränktes Schultergelenk für Probleme der HWS/BWS/LWS verantwortlich sein kann.
Mein Tipp
Integriert Mobilitätsübungen in euer Training. VOR, WÄHREND und NACH den Übungen. Z.B. kann es sinnvoll sein beim Bankdrücken die Schulter-CARs einzusetzen, beim schweren squatten immer wieder zwischen den schweren Sätzen die „Hip Cars“ einzusetzen, um den vollen Bewegungsradius beizubehalten. So haltet ihr euer Gelenk gesund und trainiert über die volle ROM. Gleichzeitig regt ihr die Produktion von Kollagen an. Wenn ihr morgens nach dem aufstehen gleich mit den vollen Gelenksrotationen beginnt, „schmiert“ ihr eure Gelenke ordentlich und der Körper erhält das Signal weiterhin Kollagen für einen reibungslose und flüssige Bewegungsabläufe. Eure Vorteile bei vollen Gelenksrotaionen unter muskulärer Anspannung:
Kollagenproduktion wird angeregt
Ansteuerung in endgradigen Bewegungen nimmt zu
Kraft über den vollen Bewegungsradius
geringeres Verletzungsrisiko
hoher sensorischer Input durch die Mechanorezeptoren und damit mehr Informationen für den Bewegungsablauf .
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Warum?
Ein unbewegliches Gelenk sorgt also nicht nur für eine schlechte Positionierung bei technisch anspruchsvollen Übungen (Frontsquat: Ich bekomme die Ellbogen nicht höher, weil ich soviel Muskeln habe 😉 sondern auch für höheren Verschleiß durch Fehlbelastungen und Krafteinbußen aufgrund von suboptimaler Positionierung und damit der Kraftlinie (Line of Force) die auf den Muskel wirkt sowie Effizienzeinbußen durch die suboptimalen Körperwinkel. (Dies gilt für alle Gelenke).
Tipp: Schaut euch meine Mobilitätsübungen zu diesem Thema an oder besucht einen meiner Workshops zum Thema Schulter und Hüfte – oder ladet euch mein Handout zu diesem Thema im Shop runter.
Weitere Foren und Fachleute im Mobilitybereich:
Crawling & Animal Flow & Natural Movement
Fazit
Es gibt diverse Mobilitätskonzepte- und Ansätze von Coaches, Trainern, Therapeuten. Viele machen Sinn, weil sie den Praktizierenden einfach gut tun. Aber natürlich gibt es wissenschaftliche Grundlagen, die eine aktive Mobilisierung vor allem vor und während des Sports klar im Vorteil sehen gegenüber den althergebrachten, statischen Dehnungskonzepte (Ferse nach vorn, Oberkörper vorlehnen und 90 Sek halten). Die „Eierlegendewollmilchsau“ in Sachen Mobilität „passend für Alle“ gibt es nicht. Vor allem im PT stelle ich immer wieder fest, dass eine Mischung aus mehreren Methoden die größten Erfolge zeigt. Toll, welche Vielzahl an Möglichkeiten es gibt. Findet euren Weg und vor allem als Coach einen Workflow, der gut in die Trainingssessions passt. Wow, auf gehts mit: CAR´s, Pails & Rails, Loaded Mobility, Muskellängentraining, Functional Range Conditioning, Stretching, Yoga, was auch immer. Bleibt beweglich.
Coach Marc
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